Ende
2020 ging es mit Blick auf das von der Großen Koalition geplante Einsatzverbot
von Fremdpersonal in der Fleischwirtschaft – insbesondere als Reaktion auf
zahlreiche Corona-Infektionen in Schlachthöfen im Sommer – nochmals hoch her.
Das sog. Arbeitsschutzkontrollgesetz vom 22.12.2020 wurde im
“Schnellverfahren” durch den Bundestag und den Bundesrat gepeitscht
und im Bundesgesetzblatt verkündet (BGBl. I, S. 3334).
Am Ende der Beratungen und des parlamentarischen Gesetzgebungsverfahrens stand
insbesondere Folgendes fest (vgl. BT-Drucksache 19/25141 v. 10.12.2020):
Werkverträge in der Fleischindustrie werden ab dem 01.01.2021 verboten.
Gleiches gilt grundsätzlich für den Einsatz von Zeitarbeitnehmern – allerdings
erst ab dem 01.04.2021. Ausgenommen vom Verbot, Fremdkräfte im Rahmen von
Werkverträgen oder im Wege der Arbeitnehmerüberlassung einzusetzen, ist das
Fleischerhandwerk mit Unternehmen, die in der Regel nicht mehr als 49 Personen
tätig werden lassen.
Im Bereich der Fleischverarbeitung soll bis zum 31.03.2024 der Einsatz von
Zeitarbeitnehmern gem. § 6a Abs. 3 GSA Fleisch übergangsweise noch
(eingeschränkt) ermöglicht werden, wenn dies in einem Tarifvertrag von den
Tarifvertragsparteien der Einsatzbranche für den tarifgebundenen Kunden
gestattet wird. Das kalenderjährliche Arbeitsvolumen der Zeitarbeitnehmer darf
dabei 8% des von den eigenen Mitarbeitern des Kunden kalenderjährig erbrachten
Arbeitsvolumens sowie das regelmäßige vertragliche kalenderjährliche
Arbeitsvolumen von 100 in Vollzeit beschäftigten eigenen Mitarbeitern des
Kunden in diesem Bereich nicht überschreiten. Ergänzend gilt, dass die
Überlassungshöchstdauer in Abweichung zu § 1 Abs. 1b AÜG auf maximal vier
aufeinander folgende Monate begrenzt wird. Die Anwendung der § 1 Abs. 1b S. 3 bis
8 AÜG wird ausdrücklich ausgeschlossen, so dass die genannte
Überlassungshöchstdauer durch einen Tarifvertrag oder aufgrund einer
Betriebsvereinbarung nicht verlängert werden kann. Auf diese (verkürzte)
Überlassungshöchstdauer werden Voreinsatzzeiten des Zeitarbeitnehmers bei dem
Kunden – in Abweichung von § 1 Abs. 1b S. 2 AÜG – angerechnet, wenn zwischen
den Einsätzen nicht mehr als sechs Monate liegen. Der Gleichstellungsgrundsatz
gilt bereits zwingend ab dem ersten Tag der Überlassung; die Anwendung von § 8
Abs. 2 bis 4 AÜG wird ausgeschlossen. Der Einsatz von Zeitarbeitnehmern ist dem
Zoll in Textform anzuzeigen; gleiches gilt für dessen Ende.
Gegen die gesetzliche Regelung regte sich – insoweit wenig überraschend –
Widerstand. Vor allem, aber nicht nur mit Blick auf die Arbeitnehmerüberlassung
sind die o.g. gesetzlichen Einschränkungen weder verfassungs- noch
europarechtskonform und damit rechtswidrig (vgl.
Boemke/Düwell/Greiner/Hamann/Kalb/Kock/Mengel/Motz/ Schüren/Thüsing/Wank, NZA
2020, 1166). Vor diesem Hintergrund verwundert es nicht, dass versucht wurde,
das Inkrafttreten des Arbeitsschutzkontrollgesetzes auf gerichtlichem Wege zu
verhindern – das BVerfG wurde im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes
angerufen. Das Gericht hat in der Sache am 29.12.2020 und damit kurz vor dem
vorgesehenen Inkrafttreten der gesetzlichen Bestimmungen entschieden.
Das BVerfG hat die entsprechenden Anträge auf einstweilige Anordnungen
abgelehnt (Az. 1 BvQ 152/20 u.a.). In der zunächst veröffentlichten
Pressemitteilung wurde für die Beschlüsse keine
Begründung veröffentlicht; diese sollte vielmehr nach § 32 Abs. 5 BVerfGG
gesondert erfolgen und liegt inzwischen vor.
Die Antragstellenden sind Einzelpersonen und Unternehmen, die in Kernbereichen
der Fleischwirtschaft tätig sind, auf die das Fremdpersonalverbot Anwendung
findet. Die Antragstellerin im Verfahren 1 BvQ 152/20 ist Arbeitnehmerin bei
einem Werkvertragsunternehmen und bislang in einem Betrieb der
Fleischwirtschaft eingesetzt worden. Sie verliere aufgrund der neuen Regeln zum
01.01.2021 ihre Arbeit und müsse in ihr Heimatland zurückkehren. Im Verfahren 1
BvQ 154/20 und 1 BvQ 157/20 wenden sich Unternehmen der Fleischwirtschaft gegen
das Fremdpersonal- sowie das Kooperationsverbot. Diese seien massiv gefährdet,
da sie kein Fremdpersonal mehr für Kernbereiche einsetzen und so ihre Aufträge
nicht mehr erfüllen könnten. Das wäre langfristig existenzgefährdend; sie
verlören Marktanteile, wären von Insolvenz bedroht und riskierten die Übernahme
durch Konzerne. Die Antragstellenden in den Verfahren 1 BvQ 153/20, 1 BvQ
155/20 und 1 BvQ 156/20 sind Inhaber von Werkvertragsunternehmen und diese
Unternehmen selbst sowie ein Zeitarbeitsunternehmen, die bisher Aufträge im
Kernbereich der Fleischwirtschaft erbracht haben. Sie machen geltend, dass die
neuen Regeln einem Berufsverbot gleichkämen. Es bestehe keine Möglichkeit, ihre
Unternehmen unter den Bedingungen des zukünftigen Rechts weiterzuführen.
Diesen Begründungen folgte das BVerfG jedoch nicht. Gemessen an den strengen
Voraussetzungen, die das Gericht in ständiger Rechtsprechung verlangt, hatten
die Eilanträge keinen Erfolg.
Die Anträge in den Verfahren 1 BvQ 152/20, 1 BvQ 154/20 und 1 BvQ 157/20
seien bereits unzulässig. Die Antragstellenden hätten nicht hinreichend
dargelegt, dass ihnen durch ein Abwarten bis zum Abschluss der Verfahren über
die noch zu erhebenden Verfassungsbeschwerden die in einem
verfassungsgerichtlichen Eilverfahren geforderten schweren Nachteile
entstünden. Entscheidend sei insofern, dass sie nicht in nachvollziehbarer,
individualisierter und konkreter Weise dargelegt hätten, was daraus folge, wenn
die angegriffenen Regelungen – wie verabschiedet – in Kraft träten. Auf eine
Folgenabwägung komme es daher nicht (mehr) an.
Im Verfahren 1 BvQ 152/20 ließen die Darlegungen nicht erkennen, dass der
Antragstellerin derart gravierende und irreversible Folgen drohten, die es
rechtfertigen würden, ein Gesetz nicht in Kraft treten zu lassen. Die
angegriffene Regelung, die es der Fleischwirtschaft untersage, im Kernbereich
Fremdpersonal einzusetzen, bewirke für sie gerade kein „praktisches Verbot“
einer Berufstätigkeit, sondern verändere lediglich die arbeitsvertraglichen
Bedingungen, zu denen sie diese ausüben könne. Es sei weder konkret dargelegt
noch sonst ersichtlich, warum sie ihre Arbeitskraft nicht zukünftig unter den
mit dem angegriffenen Gesetz geänderten Voraussetzungen erfolgreich anbieten
könne. Gerade wenn die betroffenen Betriebe nicht mehr auf Fremdpersonal
zugreifen könnten, erscheine es naheliegend, dass sie sich um die Einstellung
der bereits eingearbeiteten Personen bemühen würden. Aus den bei Gericht
eingereichten Stellungnahmen ergebe sich, dass viele Unternehmen bereits
begonnen hätten, anstelle des bisher eingesetzten Fremdpersonals nun selbst
Arbeitsverträge zu schließen. Insoweit sei auch nicht erkennbar, dass damit für
die Antragstellerin Nachteile verbunden wären. Vielmehr wäre dann die
arbeitsschutzrechtliche Verantwortung vor Ort ebenso klar wie die Lohnzahlung
direkt an sie gesichert.
Die Antragsstellenden in den Verfahren 1 BvQ 154/20 und 1 BvQ 157/20 hätten
ebenfalls nicht in der gebotenen Weise dargelegt, dass ihnen als Unternehmer
und als Unternehmen der Fleischwirtschaft, die im Kernbereich der Produktion
bislang in großem Umfang Fremdpersonal eingesetzt hätten, jedenfalls bis zu
einer Entscheidung in der Hauptsache derart gravierende, schwere oder nicht
reversible Nachteile entstehen würden. Zwar seien sie in ihrer beruflichen
Tätigkeit eingeschränkt, wenn sie für das Personal im Kernbereich andere
Vertragsgestaltungen wählen müssten. Doch könnten sie bislang werkvertraglich
oder in Zeitarbeit eingesetztes Personal selbst einstellen. Dabei stünden ihnen
auch arbeitsrechtliche Instrumente, wie z.B. Arbeitszeitkonten, befristete
Anstellungen oder Arbeit auf Abruf zur Verfügung, die eine gewisse Flexibilität
ermöglichten. Bis zum 01.04.2021 könnten sie zudem noch Zeitarbeitnehmer
uneingeschränkt und danach bis zum 31.03.2024 unter bestimmten Bedingungen
einsetzen.
Die vorgetragenen Belastungen, die daraus entstünden, das bisherige
Geschäftsmodell umstellen zu müssen, genügten für sich genommen nicht, um die
Dringlichkeit einer Eilentscheidung gegen ein Gesetz zu begründen. Das gelte
für den bloß allgemeinen Verweis auf praktische Schwierigkeiten bei der
Rekrutierung und einem Einsatz vor Ort dann selbst angestellter Kräfte. Auch
der Hinweis, dass von den bisher bei ihnen Tätigen nun viele Arbeitnehmer
abgeworben würden, belege in diesem dynamischen, bisher nicht auf dauerhaft
beschäftigte Kräfte setzenden Markt ein Problem, aber keinen hier
entscheidenden gravierenden irreversiblen Nachteil. Desgleichen genüge der
Verweis auf „erhebliche finanzielle Einbußen“ ohne weitere Detaillierung oder
Belege angesichts der hier besonders hohen Anforderungen an eine
Eilentscheidung nicht.
Die Anträge in den Verfahren 1 BvQ 153/20, 1 BvQ 155/20 und
1 BvQ 156/20 genügten den Darlegungsanforderungen zu den gravierenden,
irreversiblen oder jedenfalls schwer revidierbaren Nachteilen nur teilweise.
Ausreichend seien die Darlegungen, soweit die Antragstellenden aufgrund
§ 6a Abs. 2 GSA Fleisch ab dem 01.01.2021 einem sektoralen, die
Fleischwirtschaft außerhalb des Fleischerhandwerks im Sinne von § 2
Abs. 2 GSA Fleisch betreffenden Tätigkeitsverbot unterlägen. Insoweit
lasse sich dem jeweiligen Vortrag hinreichend entnehmen, dass eine Rückkehr in
diese Tätigkeit im Fall einer eventuellen Verfassungswidrigkeit des Verbots
schwer möglich sein werde, weil sich die Fleischwirtschaft in der Zwischenzeit
auf die Tätigkeit mit dann eigenem Personal eingestellt haben werde. Auch im
Verfahren 1 BvQ 156/20 habe die dortige Antragstellerin zu 3), die ein
Zeitarbeitsunternehmen für die Fleischwirtschaft betreibe und ab dem 01.04.2021
von dem dann in Kraft tretenden grundsätzlichen Verbot der Zeitarbeit betroffen
sein werde, den Darlegungsanforderungen genügt.
Soweit die Antragstellenden jedoch über das sektorale Tätigkeitsverbot hinaus
irreversible oder wenigstens sehr schwere Nachteile geltend machten, hätten sie
insbesondere eine drohende Existenzgefährdung nicht in der gebotenen
nachvollziehbaren, individualisierten und konkreten Weise dargelegt. Allgemeine
oder nur mit Gesamtbeträgen bezifferte Verweise auf laufende Kosten aus
Mietverträgen zur Unterbringung der Arbeitskräfte, aus Leasingverträgen für
Fahrzeuge für ihren Transport und aus Arbeitsverträgen reichten insoweit nicht.
Insbesondere werde nicht dargelegt, wann welche Verträge mit welcher
Bindungsdauer geschlossen worden seien; daher lasse sich weder beurteilen,
welche konkreten Kosten entstehen, noch werde deutlich, ob diese Bindungen bereits
zu einem Zeitpunkt entstanden seien, in denen die Betroffenen noch auf den
Fortbestand des Geschäftsmodells hätten vertraut können. Schließlich sei nicht
zu erkennen, welche Kündigungsmöglichkeiten mit welchen Folgen bestünden. So
sei hinsichtlich der Arbeitsverhältnisse nicht konkret dargelegt worden,
inwiefern sich im relevanten Zeitraum untragbare oder gar zur Insolvenz oder
Liquidation führende Lasten ergeben könnten, gerade wenn, wie in allen
Verfahren vorgetragen, eine hohe Personalfluktuation herrsche.
Die im dargestellten Umfang zulässigen Eilanträge seien allerdings nicht schon
deswegen abzulehnen, weil eine (noch zu erhebende) Verfassungsbeschwerde von
vornherein offensichtlich in Gänze unzulässig oder unbegründet wäre. Ob das
hier im Mittelpunkt stehende Fremdpersonalverbot in der Fleischindustrie
verfassungsgemäß oder -widrig sei, sei nicht nur nach den Stellungnahmen,
sondern auch in der Fachliteratur – ebenso wie die ältere Verbotsnorm im Recht
der Arbeitnehmerüberlassung für die Bauwirtschaft, die das BVerfG für
verfassungsgemäß hielt (BVerfGE 77, 84) – umstritten. Die hier aufgeworfenen
verfassungsrechtlichen Fragen bedürften jedenfalls einer sorgfältigen Prüfung,
deren Ausgang offen sei. Maßgeblich sei damit für die Entscheidung über die Eilanträge,
soweit sie zulässig seien, eine Folgenabwägung.
Diese fiele aber nicht zugunsten der Antragstellenden aus. Es sei nicht
erkennbar, dass deren Interessen gegenüber den Zielen des Gesetzgebers und
weiteren schützenswerten Belangen so eindeutig überwögen, dass sie bis zu einer
Klärung der Verfassungsgemäßheit der angegriffenen Regelungen von deren
Wirkungen verschont werden müssten. Ihr Aussetzungsinteresse schlage unter
Berücksichtigung aller relevanten Folgen nicht durch.
Erginge die einstweilige Anordnung und hätte die Verfassungsbeschwerde
letztlich keinen Erfolg, würden die vom Gesetzgeber mit den angegriffenen
Regelungen verfolgten Ziele in diesem Zeitraum nicht verwirklicht. Dabei sei,
worauf die Antragstellenden in Erwiderung auf die Stellungnahmen zu Recht
verwiesen, zu berücksichtigen, dass das Arbeitsschutzkontrollgesetz neben dem
Fremdpersonalverbot weitere Maßnahmen vorsehe, die Missständen in Kernbereichen
der Fleischwirtschaft entgegenwirken sollten und jedenfalls gelten würden. Dazu
gehöre die Intensivierung der staatlichen Aufsicht, eine Vereinbarungspflicht
zum Arbeitsschutz und die Pflicht zur manipulationssicheren Erfassung der
Arbeitszeit, auf welche die Mehrzahl der festgestellten Verstöße in
Schlachthöfen zurückgingen (vgl. BT-Drucksache 19/21978, S. 2). Doch wäre
bei einem Erfolg der gestellten Anträge im Kernbereich der Fleischwirtschaft
weiter Fremdpersonal tätig. Da das Gesetz ausweislich der Stellungnahmen in
diesem Verfahren bereits Vorwirkungen entfaltet habe, geschähe dies zwar
zunächst in geringerem Umfang als bisher. Doch sei nicht auszuschließen, dass
die Festanstellungen auch wieder rückgängig gemacht würden, wenn das Gesetz
nicht in Kraft träte. Jedenfalls wäre dort, wo Werkvertragsunternehmen weiter
eingesetzt würden, die arbeitsschutzrechtliche Verantwortung vor Ort weiterhin
aufgespalten; die Werkvertragsunternehmen stünden weiter insbesondere in der
Verantwortung für den Arbeitsschutz – anders als nach § 11 Abs. 6 AÜG bei der
Zeitarbeit – neben der Betriebsleitung. Der Gesetzgeber gehe nachvollziehbar
davon aus, dass dies den Arbeitsschutzbehörden Kontrollen erschwere. Zudem
legten die bisherigen Entwicklungen nahe, dass die gespaltene Verantwortung vor
Ort auch den Beschäftigten selbst die Durchsetzung ihrer Schutzansprüche und
fairer Arbeitsbedingungen insgesamt erschwere. Auch käme es weiterhin zu einem
Nebeneinander von Beschäftigten im Rahmen von Werkverträgen und
Zeitarbeitskräften, was in der Praxis nicht nur zu unübersichtlichen
Verhältnissen und dem daraus resultierenden Verantwortlichkeitsdefizit, sondern
auch aufgrund der Konkurrenz bei sehr hohem Arbeitsdruck und der ungesicherten
Fachqualifikation und Einarbeitung zu Verstößen gegen arbeitsrechtliche
Schutzbestimmungen und zu den in diesem Sektor überdurchschnittlich häufigen
Arbeitsunfällen führe.
Erginge die einstweilige Anordnung nicht, erwiese sich die
Verfassungsbeschwerde später aber als begründet, entstünden den
antragstellenden Werkvertragsunternehmen durch das Inkrafttreten später
verfassungswidriger Regelungen durchaus gewichtige Nachteile. Diesen werde eine
Tätigkeit durch den neuen § 6a GSA Fleisch zwar nicht verboten. Sie
werde jedoch sektoral beschränkt, denn die Unternehmen dürften im Kernbereich
der Fleischwirtschaft nicht mehr in der bisherigen Form tätig werden. Die
Antragstellenden legten nachvollziehbar dar, dass die Orientierung auf
Handwerksbetriebe, auf die § 6a GSA Fleisch nach § 2 Abs. 2
GSA Fleisch keine Anwendung finde, für sie – wenn überhaupt – nur sehr
begrenzte wirtschaftliche Perspektiven eröffne. Auch sei die Darlegung
plausibel, dass die Einstellung der Tätigkeit in diesem Bereich zumindest
schwer reversibel wäre. In einem dynamischen und globalisierten Markt, in dem
große Konzerne zudem die Übernahme der hier betroffenen Betriebe anstrebten,
könne auch der Zeitraum bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache zur
Verdrängung schwächerer Wettbewerber führen. Dass die Antragstellenden über die
Notwendigkeit der sektoralen Neuorientierung hinaus allerdings konkrete
gravierende und schwere oder nicht reversible Nachteile erleiden würden, hätte
sie demgegenüber – wie ausgeführt – nicht hinreichend aufgezeigt.
In der Gesamtbetrachtung hätten die Eilanträge, mit denen die Neuregelungen für
Kernbereiche der Fleischwirtschaft ausgesetzt werden sollten, danach keinen
Erfolg. Die Nachteile auch für die direkt betroffenen Werkvertragsunternehmen
hätten nach den Darlegungen nicht das gravierende Gewicht und Ausmaß, das es
rechtfertigen würde, ein Gesetz ausnahmsweise vorläufig nicht in Kraft treten
zu lassen. Zwar seien die Beeinträchtigungen der Werkvertragsunternehmen, die
sich auf Kernbereiche der Fleischwirtschaft spezialisiert hätten, durchaus
erheblich, denn sie treffe ein sektorales Betätigungsverbot. Im Vergleich mit
den Interessen des Gesetzgebers, insbesondere für mehr Arbeitsschutz in der
Fleischwirtschaft, für klare Verantwortlichkeiten vor Ort und für transparente
Vertragsgestaltungen mit den Beschäftigten zu sorgen, habe letzteres jedoch
mehr Gewicht. Dabei sei auch in die Abwägung einzubeziehen, dass die bislang
über Werkvertragsunternehmen in der Fleischwirtschaft Beschäftigten durch das
sektorale Fremdpersonalverbot nicht nachteilig betroffen würden, sondern
jedenfalls die realistische Aussicht auf ein Arbeitsverhältnis nun direkt mit
den Unternehmen der Fleischwirtschaft bestehe.
Hier sei zudem zu berücksichtigen, dass den Antragstellenden in diesen
Verfahren nicht ihr Beruf verboten werde. Vielmehr werde die Berufstätigkeit
insbesondere der Werkvertragsunternehmen mit einer bestimmten rechtlichen
Gestaltung in einem bestimmten Marktsegment für unzulässig erklärt. Die direkt
von dem Verbot ab 01.01.2021 betroffenen Werkvertragsunternehmen müssten diese
Tätigkeit nach § 6a Abs. 2 GSA Fleisch in diesem Marktsegment
beenden. Doch verhindere der Gesetzgeber nicht, dass sie in dem deutlich
kleineren Segment des Handwerks (vgl. § 2 Abs. 2 GSA Fleisch) und auf
anderen Feldern oder auch in Kooperation jenseits eines einzigen oder eines
übergreifenden Betriebs (vgl. § 6a Abs. 1 i.V.m. § 6a Abs. 4
GSA Fleisch) weiter tätig würden.
Zu berücksichtigen sei insofern auch, dass spätestens seit dem 31.08.2020
vorhersehbar gewesen sei, dass diese neue Situation entstehen würde. Nach
Veröffentlichung der „Eckpunkte Arbeitsschutzprogramm für die
Fleischwirtschaft“ im Mai 2020 durch das BMAS sei der Gesetzentwurf der
Bundesregierung im August 2020 in das Gesetzgebungsverfahren eingebracht
worden. Damit hätten die Betroffenen jedenfalls mehrere Monate Zeit, sich auf
die Gesetzesänderungen einzustellen. Das sei in einer Branche, die nach den
Darlegungen der Antragstellenden selbst von starker Fluktuation und vielfachen
Auftragsschwankungen geprägt sei, zumindest teilweise geschehen. Auch hier habe
ein vorgelegter Vertrag über den Einsatz von Arbeitsschutzbeauftragten
verdeutlicht, dass Vorkehrungen zum Schutz vor wirtschaftlichen Nachteilen
möglich gewesen seien, indem dort eine Sonderkündigungsklausel für den Fall
vereinbart worden sei, dass das hier streitige Gesetz in Kraft trete.
Demgegenüber sei eine Erwartung, dass die rechtlichen Rahmenbedingungen der
beruflichen Tätigkeit unverändert blieben, verfassungsrechtlich nicht
geschützt. Ob die hier streitigen Regeln, die bestimmte Gestaltungen
beruflichen Handelns ohne Übergangsfrist für unzulässig erklärten, in jeder
Hinsicht mit der Verfassung vereinbar seien, bedarf jedenfalls einer vertieften
Prüfung, die im Rahmen eines Eilverfahrens nicht zu leisten sei.
Autor:Dr. Alexander Bissels
Partner
CMS Köln
T +49 221 7716 317
E alexander.bissels@cms-hs.com